Davos, was passiert mit dir?

Es ist Februar, in Davos herrscht strahlender Sonnenschein, der Himmel ist wolkenlos, das Thermometer zeigt +7 °C. Nicht der Schnee, sondern der Splitt knirschen unter unseren Schuhen, während unsere 17-köpfige Gruppe über die Promenade Richtung Kongresszentrum wandert. Der Schneemangel ist auch hier zur Realität geworden. Es ist klar: der Klimawandel hat auch Davos erreicht! 

Das Wort «Klimawandel» ist für uns, als Masterstudenten des Profils Raumentwicklung und Landschaftsarchitektur an der Fachhochschule Ostschweiz, kein Fremdwort. Wir beschäftigen uns intensiv mit dem Thema und den damit verbundenen Auswirkungen auf Siedlung und Landschaft. Im Rahmen unserer Seminarwoche untersuchen wir, welche Auswirkungen die Klimaerwärmung auf Stadtentwicklung und Tourismus hat.

 

Auf den Spuren von Davos

Das Ortsbild

Gebäude in verschiedensten Formen, Farben, Nutzungen und Grössen drängen sich auf engstem Raum aneinander. Wo es Freiraum gibt, wird dieser hauptsächlich als Parkierungsfläche genutzt. Die sozialen Leistungsansprüche an den «Lebensraum Stadt» hingegen wurden in Davos bis anhin eher vernachlässigt. Das Fehlen attraktiver, öffentlicher Freiräume fällt besonders an den Hauptverkehrsachsen ins Auge, wo die breiten und lauten Strassenräume das Gesamtbild dominieren. 

«Davos ist für mich ein Unort, vor allem baulich und von der Verkehrslage her bestehen grosse Probleme.» M. Frehner, 2023

Um die Geschichte der Stadt und die daraus entstandene städtebauliche Situation zu verstehen, treffen wir uns am ersten Tag unserer Reise zu einer Stadtführung mit Köbi Gantenbein. Im Rundgang mit dem ehemaligen Chefredakteur und Verleger der Zeitschrift Hochparterre erfahren wir mehr über die liberal geprägte Baukultur von Davos, die sich in Form eines Flickenteppichs aus unterschiedlichsten Gebäudetypologien abzeichnet. 

Die Wohn- und Siedlungsentwicklung

In Davos ist der Anteil an Zweitwohnungen beträchtlich. Für die ansässige Bevölkerung ist die Wohnungssuche innerhalb der Stadt schwer. Bezahlbarer Wohnraum ist kaum zu finden. Dies gilt insbesondere für Familien und Geringverdiener. Um diesem Problem entgegenzuwirken, muss bezahlbarer Wohnraum für alle Einkommensschichten geschaffen werden.

Der Skitourismus stellt die Gemeinde bereits seit einiger Zeit vor ein bislang ungelöstes Managementproblem in Bezug auf Verkehrs- und Besucherlenkung. Gross und Klein, mit Skiern bestückt, stolpern zuweilen in Skischuhen aus dem Bahnhof Davos Dorf vor die einfahrenden Busse. Sie trappeln zwischen den Autos, die sich vom Bahnübergang bis zurück auf die Hauptstrasse stauen, hindurch und erreichen nach einigen Minuten schnaufend und fluchend die Talstation der Parsenn-Bahn. Dies zeigt uns, dass die heutige Situation im Ortskern von Davos Platz weder für die Wintersporttouristen noch für die Verkehrsteilnehmer eine gute Lösung bietet.


Die Nachhaltigkeit

Vom Architekturbüro CURA (Closs und Ritz Architekten) wird uns am zweiten Reisetag das laufende Projekt der Sanierung und Erweiterung der Schulanlage in Davos Platz vorgestellt. Auf dem Rundgang auf dem Gelände der Primarschule erfahren wir von den Architekten Marc Ritz, Otto Closs und Felix Schauschan mehr über die nachhaltige und zukunftsfähige Architektur. Die zentralen Themen der nachhaltigen Architektur sind das Bauen im Bestand und die Reduktion von CO2-Emmissionen. Durch die Wiederverwertung der bestehenden Bausubstanz können beträchtliche Mengen an Treibhausgasen eingespart werden. Die nachhaltige Architektur leistet somit ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz im Siedlungsraum.

Es gibt viel zu tun!

Der Landammann, Philipp Wilhelm, möchte in Sachen Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Siedlungsentwicklung in Davon einiges bewegen.  Als Abschluss unseres Aufenthalts in Davos befragen wir ihn bei einem Treffen im Rathaus mit anschliessender Stadtführung zu seiner Sicht auf die aktuellen Herausforderungen. In der Diskussion zeigt sich, dass Davos bezüglich Kilmaschutzes und Nachhaltigkeit grosse Ziele hat. Die Gemeinde hat sich zum Ziel gesetzt bis 2030 einen klimaneutralen Tourismus zu schaffen. Hierfür hat die Tourismusorganisation zusammen mit Gemeinde und Tourismusbetrieben einen Klimafonds geschaffen. Die Bereitschaft im Hinblick auf das Klimaprojekt “Davos klimaneutral 2030” ist sowohl bei der Gemeinde als auch in der Privatwirtschaft gross.

Um die vorhanden Wohnungsknappheit zu entschärfen, sollen neue Erstwohnungen geschaffen werden, die für alle Einkommensschichten wirtschaftlich tragbar sind. Der Verkehr soll Siedlungsverträglicher gestaltet werden, wodurch sich neue Möglichkeiten für attraktive Freiräume eröffnen. Zur Unterstützung dieser Zielsetzungen wurde in den letzten Monaten ein räumliches Leitbild für die Entwicklung der Gemeinde erarbeitet. Dieses Leitbild dient als Grundlage für die bevorstehende Gesamtrevision der Nutzungsplanung. Politisch und planerisch tut sich also einiges im Hintergrund. 

 

Davos, Modellstadt der Zukunft?

Das räumliche Leitbild von Davos

Die Agenda 2025, welche die Stadt Davos 2015 verabschiedet hat, zeigt erste Visionen zum zukünftigen Davos auf. Aus der Agenda 2025 wurden Ideen für das kommunale räumliche Leitbild entwickelt (siehe Bild), wodurch erste räumliche Aussagen für die zukünftige Entwicklung von Davos möglich wurden. 

Für eine geeignete Siedlungsentwicklung nach innen strebt Davos zukünftig eine aktive Bodenpolitik an. Mit der Mobilisierung der vorhandenen Baulandlücken und -brachen sowie dem Ankauf von zusätzlichen Liegenschaften könnten die beiden grössten «Baustellen» der Davoser Siedlungsstruktur behoben werden: Zum einen könnten dadurch die drei Zentren (Dorf, Mitte, Platz) gestärkt und aufgewertet werden und zum anderen könnte der bezahlbare Wohnungsraum für die einheimische Bevölkerung gesichert werden. 

Die bisher vom motorisierten Individualverkehr dominierte Promenade soll als Verbindungs- und Aufenthaltsraum aufgewertet werden. Gleichzeitig wird eine Aufwertung der Fussgänger– und Velonetzes sowie die Stärkung des öffentlichen Verkehrs angestrebt.  Dass Davos eine Verbesserung im Bereich Mobilität erzielen möchte, zeigt auch das Generationenprojekt Bahnhof Dorf, welches einen Beitrag zur Verbesserung der (Verkehrs-)Situation im Bereich des Bahnhofs Dorf und der Parsenn-Bahn leistet. Nebst dem Potential der Promenade als qualitativ hochwertiger öffentlicher Freiraum hat die Stadt Davos auch das Potential der umliegenden Landschaft erkannt. Die Landschaft rund um Davos soll als wichtiger Naherholungs- und Naturraum erhalten bleiben. Das sich in Arbeit befindende Freiraumkonzept soll Vorschläge zu Vernetzungsmöglichkeiten der bestehenden Freiräume aufzeigen sowie die Durchlässigkeit der Freiräume und der Landschaft sicherstellen. 

Davos klimaneutral 2030

Mit dem engagierten Ziel “Davos klimaneutral 2030” möchte die Stadt eine Vorreiterrolle als zukunftsorientiertes und nachhaltiges Reiseziel einnehmen. Mit der Prüfung von Solarenergie-Projekten, z.B. der Installierung und Realisierung von alpinen PV-Anlagen, soll zu diesem Ziel einen gewichtigen Beitrag geleistet werden. Im Rahmen des Nachhaltigkeitsgedankens strebt Davos zudem den Ausbau der E-Mobilität an (u.a. Lademöglichkeiten), denkt über die Umwandlung von Solarenergie in speicherbaren Energieformen sowie über die Bekämpfung von sogenanntem «Food Waste» nach, bei dem Lebensmittel entsorgt werden, obwohl diese noch geniessbar sind. Gerade in Bezug auf «Food Waste» hat die Stadt eine vorbildliche Kooperation mit dem World Economic Forum (WEF) bewiesen. Dadurch können die Nahrungsmittel, für die am WEF kein Bedarf mehr besteht, an Dritte weitervermittelt und die Lebensmittelverschwendung somit reduziert werden. Die Kooperation mit dem WEF ist als sehr positiv herauszustreichen. 
Die Realisierung alpiner, grossflächiger PV-Anlagen bieten aus landschaftlicher Sicht diverse Konfliktpunkte. Davos hat unserer Meinung nach richtig erkannt, dass solche Möglichkeiten zur Produktion von nachhaltiger Energien Zukunft berücksichtigt und geprüft werden müssen. 

Unsere Erkenntnisse

Davos hat bereits viele Anknüpfungspunkte für eine nachhaltigere, klimafreundlichere und sozialverträgliche Siedlungsentwicklung aufgegriffen. In diesem Zusammenhang sind beispielsweise das Freiraumkonzept, das Gesamtverkehrskonzept sowie die Erarbeitung einer zukunftstauglichen Innenentwicklungsstrategie zu nennen. Mit der Konzeption des räumlichen Leitbildes wurde Schritte unternommen, um die räumlichen Problemfelder anzusprechen und sowohl die Bevölkerung als auch das Parlament bei der Aufarbeitung miteinzubeziehen. Dadurch soll eine breite Abstützung der Projekte sichergestellt werden. Dies erscheint uns zielführend. Eine Konsensfindung auf politischer Ebene erscheint aufgrund der sehr breit gefächerten (politischen) Bedürfnisse jedoch schwierig. Dies wird insbesondere bei Fragestellungen zu Verkehr oder Städtebau deutlich. Aus unserer Sicht hat Davos die Gefahren einer planlosen und unkontrollierten Siedlungsentwicklung jedoch klar erkannt und bereits politisch als auch planerisch erste Massnahmen ergriffen. Auch wenn viele Massnahmen, welche das räumliche Entwicklungsleitbild vorsieht, noch nicht realisiert sind, ist der eingeschlagene Weg aus unserer Sicht richtig und zielführend, um die Siedlung aufzuwerten, den Tourismus zu stärken und als Gemeinde nachhaltig zu werden. Die politischen Hürden werden dabei als hoch eingeschätzt, da Davos nach wie von einer liberalen und konservativen politischen Haltung geprägt ist. 

Weiterführende Literatur

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MSE ReLa, HS 22/23

Studierende: Baschung, Bechstein, Brunner, Frehner, Frei, Jordi, Kaempfen, Lüdi, Mindik, Pfister, Poplasin, Wernli, Utzinger, Zürcher

Dozierende: Engelke, Herdt, Gasser, Siegrist