Digitalisierung und Raum – Reflexionen zum SwissLAB_2019

 

Umdenken in der Planung

Die Raumplanung ist mit vielen verschiedenen Aufgaben betraut und somit sehr komplex. Vielen Ansprüchen aus verschiedenen Sektoren soll Rechnung getragen und die Interessen transparent und nachvollziehbar abgewogen werden. Dieser Prozess muss politisch ausgetragen werden. Dies erfordert viel Geduld und Zeit. Planung ist praktisch immer mit aktuellen, dringenden Aufgaben beschäftigt und Kapazitäten bzw. Freiräume für zukünftige Themen sind kaum vorhanden – Themen wie die Digitalisierung etwa.
Die technischen Entwicklungen geben aber ein Tempo vor, mit dem die Raumplanung kaum schritthalten kann. Dies könnte dazu führen, dass eine geordnete und nachhaltige Raumstruktur künftig nur noch Wunschdenken ist. Das kann auch als Dilemma von Dynamik und Trägheit bezeichnet werden: Auf der einen Seite muss die Planung dynamisch und fortschrittlich sein und stets neuen Anforderungen gerecht werden. Auf der anderen Seite gilt der hochgewichtete Grundsatz der Planungssicherheit, der Stabilität in der Raumentwicklung bringen soll. Mit den heutigen schnellen Entwicklungen und den immer mächtigeren Digitalkonzernen ist in der Raumplanung jedoch ein Umdenken nötig: Die Planung muss weiter vorausschauend sein aber auch versuchen, künftige Entwicklungen in der digitalen Welt zu adaptieren, um die Weichen in der realen Welt rechtzeitig zu stellen. Doch wie können bei den Unsicherheiten bezüglich der Zukunft die Weichen "richtig" gestellt werden?

Im Zentrum steht der Mensch

Eine Möglichkeit bietet die Arbeit mit Reallaboren. Reallabore geben Platz für Experimente, Szenarien dienen als Denkanstösse. Planungen in Reallaboren sind kurzfristig und flexibel, und es können zeitliche Ausnahmen geschaffen werden. Damit kann eruiert werden, ob eine Planung eine gewünschte Entwicklung anzustossen vermag oder nicht. Ferner lässt sich im Besonderen klären, ob Anpassungen von Gesetzen notwendig wären. Vorliegende Erkenntnisse aus Reallaboren bieten eine Grundlage und können von der Politik, der Wirtschaft und besonders von der Gesellschaft aufgegriffen und argumentativ genutzt werden. Die Interaktion mit der Gesellschaft stellt denn auch eine Kernkomponente der Methodik der Reallabore dar. Ziel ist es, die Akzeptanz in der Bevölkerung zu ermitteln oder falls nötig zu schaffen, um von der Gesellschaft gewünschte Entwicklungen anstossen zu können. Ebenfalls sollten wir uns die Digitalisierung zu Nutzen machen – wenn sie uns Fortschritt und eine Verbesserung der Lebenssituation bringen kann. Ansonsten nützt die "Verdigitalisierung" nichts. Es gilt somit, die Digitalisierung intelligent einzusetzen, wo nötig und hilfreich. Denn smart ist nicht bedeutungsgleich mit digital.

Daten als Basis

Möchten wir - als Planerinnen und Planer - den Raum aber auch zukünftig für die Menschen planen, müssen wir wissen, wie der Raum von der Bevölkerung genutzt wird. Und niemand weiss dies zurzeit besser als grosse Konzerne und Unternehmen, die Daten von uns allen sammeln und analysieren. Durch unsere smarten Autos, unsere Smartphones, die Benützung von Social Media und bestimmter Apps wird unser Standort und unsere Bewegung aufgezeichnet. Diese aggregierten Daten wären für die Raumplanung von grossem Wert. Sie sollten daher für Kantone und Gemeinden zugänglich (und erschwinglich) gemacht werden. Denn es stellt sich die unumgängliche Frage: Soll die öffentliche Hand auch zukünftig für die Menschen planen können? Oder wollen wir die Multikonzerne mit der besseren Datenlage planen lassen? Für sich, für die Wirtschaft, für mehr Profit? Und die Gesellschaft?
Raumnutzungsdaten gelten als die Basis für eine zukünftige nutzungsorientierte Planung. Gefordert ist die Politik, dass diese Daten den öffentlichen Institutionen zur Verfügung stehen. Aber auch wir Planerinnen und Planer sind gefordert, den Nutzen von nutzungsbasierten Daten zu erkennen und die Forderungen zur Schaffung der nötigen Rahmenbedingungen an die Politik zu stellen.

 

 


Über den/die Autor/in

Jolanda Zurfluh

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