Ist Digitalisierung landschaftsrelevant?

Wie verändern digitale Innovationen den Freiraum und die Landschaft, die Landschaftsnutzungen, aber möglicherweise auch die Einstellung und Wahrnehmung zur Landschaft?

In der Landwirtschaft werden bereits zahlreiche Innovationen aktiv betrieben und getestet: der autonome Milchviehstall, Stallroboter, Drohnen zu Transport, Bewirtschaftung und beim präziserem Einsatz von Düngermitteln und Pestiziden sind nur ausgewählte Entwicklungen (vgl. Tagesanzeiger vom 13.11.2018 «Im vernetzten Stall ackern die Knechte 18 Stunden am Tag»). Das Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung veranstaltete bereits im August 2017 einen umfassenden Workshop zur Digitalisierung in der Schweizer Landwirtschaft; daraus entstand u.a. eine Charta zur Digitalisierung der Land- und Ernährungswirtschaft.

In der Landschaftsarchitektur und Freiraumplanung begeistern (und verunsichern) neue Technologien wie Drohnen-Aufnahmen und BIM die Atelierstuben; Augmented Reality dürfte mittels informationsgestützter Brillen bald einmal Baugespanne überflüssig werden lassen; und am Morgen werden wir durch den Wecker in virtuellen 3D-summenden-Blumenwiesen geweckt. Oder: während einer E-Bike-Tour im benachbarten Ried übermittelt mir das Smartphone aktuelle Informationen über den jüngsten Bruterfolg des Brachvogels, gleichzeitig bittet mich die App, den nächsten Weg rechts zu nehmen, um den Amphibien die Wanderung gefahrloser zu ermöglichen.

Digitalisierung bringt neue Möglichkeiten für Planung und Steuerung von Landschaft und Freiräumen
Bild: Hans-Michael Schmitt

Digitalisierung wird laufend neue Möglichkeiten bringen in Landschaftsnutzung, Vermittlung, Information, Partizipation, Planung und Steuerung. Siedlungsräume und Dorfkernbereiche verändern ihr Antlitz infolge anderer Nutzungen – gibt es beispielsweise noch Läden als Erdgeschossnutzung? Parkplätze dürften eher Einsteigespuren in selbstfahrende Fahrzeuge sein, als flächenfressende Plätze ohne Multifunktionalität? So werden sich auch Nutzung, Ansprüche und Bild der Freiräume wandeln. Werden alle Freiraumnutzenden und Naherholenden gleich an diesen Innovationen teilhaben, entstehen neue Disparitäten? Offen ist aber auch, welche Akteure sich dieser Möglichkeiten und der Lenkung jeweils annehmen: wer verfügt über die aktuellen Daten, wer kennt die üblichen Verhalten und Interessen? Wird auch Freiraumplanung und Naherholung ein Produkt von Google&Co.?

Der Megatrend Digitalisierung und Konnektivität wird wie vorherige Megatrends wie z.B. Mechanisierung, Urbanisierung, Automatisierung oder Mobilität die Nutzung, das Bild und die Wahrnehmung von Freiraum und Landschaft mitprägen. Wie können sich die Planungsakteure – vorab die Gemeinden und die LandschaftsarchitektInnen selbst – auf die Veränderungen und Herausforderungen vorbereiten? Ersetzt die virtuelle Welt das direkte Landschaftserleben – oder fordert es heraus zu gesellschaftlichen Gegenentwürfen? Und sei es ‘nur’, den virtuellen Welten reale, erfahrbare ‘Gegenwelten’ gegenüber zu stellen und sie nicht vergessen gehen zu lassen. Wird Offline das neue Bio?

 

 


Über den/die Autor/in

Hans-Michael Schmitt

Professor für Landschaftsplanung / Dipl. Ing. TUH SIA Landschaftsarchitekt / BSLA Institutspartner Institut für Landschaft und Freiraum ILF der OST

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