Micro-Hubs - Infrastruktur der letzten Meile
Die Anzahl der Onlineeinkäufe hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Vor allem Kleider und Schuhe werden immer öfter im Internet bestellt und direkt zum Kunden Nachhause geschickt. Nicht nur die Onlineeinkäufe, sondern auch die Rücksendungen von Paketen haben in den vergangenen Jahren spürbar zugenommen. Der grösste Schweizer Onlineshop Zalando, hat eine Paket-Retourquote von ca. 60%. In effektiven Zahlen sind dies 8 Millionen Pakete welche im Jahr 2018 zurückgeschickt wurden. In Anbetracht dieser Zahlen erstaunt es nicht, dass der Güterverkehr – vor allem der Anteil leichter Güterfahrzeuge – steigend ist.
Die Projektarbeit, «Standortanforderungen und räumliche Auswirkungen von Micro-Hubs», welche im Rahmen des Masterstudiengangs Raumentwicklung und Landschaftsarchitektur von Andreas Keiser erarbeitet wurde, beschäftigt sich genau mit dieser Thematik.
Definition
In der Literatur finden sich verschiedene Beschreibungen von Micro-Hubs, jedoch wird der Begriff nicht abschliessend definiert.
Für die Projektarbeit wurden Micro-Hubs mit ihrer Lage in der Lieferkette beziehungsweise deren Eigenschaften wie folgt definiert:
Ein Micro-Hub...
• liegt auf dem letzten Übergabepunkt der Lieferkette
• ist ein Standort, an welchem der Endkunde eine Lieferung abholen bzw. aufgeben kann
• hat zum Ziel, die Anzahl Wege auf der letzten Meile zu reduzieren
Micro-Hubs in der Lieferkette, Quelle: Andreas Keiser
Ziele
Das allgemeine Ziel eines Micro-Hubs wird aus der nachstehenden Grafik ersichtlich. Zum heutigen Zeitpunkt transportieren verschiedene Lieferanten Bestellungen direkt zum Endkunden. Ist der Endkunde nicht zuhause, ist die Fahrt umsonst gewesen und muss erneut erfolgen. Ein weiteres Beispiel wie Mehrfachfahrten entstehen können, ist die gleichzeitige Bestellung eines Kunden bei verschiedenen Sendern/Vertreibern. Werden diese Bestellungen durch verschiedene KEP-Dienste (Kurier-, Express- und Postdienste) ausgeliefert, entstehen Mehrfahrten welche nicht notwendig wären. Der Micro-Hub soll diesen Mehrfachfahrten entgegenwirken.
Lieferfahrten mit und ohne Micro-Hub, Quelle: Andreas Keiser (Icons: www.flaticon.com)
Unterschiedliche Arten von Micro-Hubs
Die bewusst offen gewählte Definition eines Micro-Hubs hat zur Folge, dass diese sehr unterschiedlich sein können. Um eine Übersicht zu schaffen, wurden vier Arten von Micro-Hubs definiert. Dies sind Abholstationen, Service-Points und Paketboxen welche sich primär am Benutzer orientieren und Verteilstationen welche eher lieferanten-orientiert sind.
Schema der Micro-Hub Arten, Quelle: Andreas Keiser (Piktogramme: www.flaticon.com)
Abholstationen bezeichnen eigenständige Anlagen, an welchen der Benutzer rund um die Uhr seine Lieferung abholen beziehungsweise aufgeben kann. Service-Points beschreiben eher ein Konzept als eine effektive Anlage. Dieses ermöglicht es Kunden ihre Lieferung in bestehenden Filialen, wie zum Beispiel einem Kiosk, aufzugeben oder abzuholen.
Eine Paketbox basiert auf dem Prinzip eines Briefkastens, welcher ein grösseres Fach für Pakete hat. Der Vorteil davon ist, dass der Lieferant das Paket auch zustellen kann, wenn der Empfänger nicht zuhause ist. Die Verteilstation verfolgt das Ziel, die Lieferungen zu bündeln und so eine effizientere letzte Meile zu ermöglichen. Sie ist also oftmals nicht der Endpunkt der Sendung, sondern ein Verteilort für den nächsten und letzten Lieferanten.
Die vier Micro-Hub-Arten wurden anschliessend nach verschiedenen Kriterien bewertet.
Die Bewertung lässt den Schluss zu, dass keine Micro-Hub-Art besonders viel besser beziehungsweise viel schlechter ist als die Anderen. Vielmehr bieten Sie unterschiedliche Qualitäten, aufgrund derer sich je nach Situation eine Art bevorzugen lässt.
Notwendigkeit der räumlichen Steuerung
Aufgrund der Erkenntnisse aus der Analyse wurde die Möglichkeit beziehungsweise die Notwendigkeit von Massnahmen zur räumlichen Steuerung untersucht. Dabei wurde der Fokus auf Abholstationen gelegt, da diese den grössten Interventionsbedarf haben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die übrigen Micro-Hub-Arten keine Planung, Steuerung oder Reglementierung benötigen.
Aus den nachfolgenden Gründen ist es für die öffentliche Hand sinnvoll sich mit dem Thema Abholstationen auseinanderzusetzen und allenfalls konkrete Massnahmen zu erarbeiten:
• Ein aufeinander abgestimmtes Abholstationen-Konzept kann den Güterverkehr reduzieren.
• Zunehmender Güterverkehr kann den öffentlichen Raum negativ beeinflussen.
• Ein funktionierendes Abholstationen-System ist eine Dienstleistung für die Bevölkerung und kann den Gemeindestandort attraktiver machen.
Möglichkeit zur räumlichen Steuerung
Um den räumlichen Nutzen von Abholstationen zu maximieren, muss für den jeweiligen Bearbeitungsperimeter eine möglichst effiziente Verteilung der Stationen erfolgen. Dies wird erreicht, indem die einzelnen Standorte und Interessen der verschiedenen Akteure aufeinander abgestimmt werden. Im Rahmen der Projektarbeit wurde das Instrument „Abholstationen-Konzept“ welches die Steuerung von Abholstationen koordiniert, entwickelt. Dieses wurde in einem Merkblatt, welches sich an Gemeinden richtet zusammengefasst. Es ist jedoch denkbar, dass ein solches Konzept auch über die Gemeindegrenzen hinaus geplant werden kann.
Das Merkblatt ist hier verfügbar.
Planungsempfehlung
Ein Abholstationen-Konzept ist für verschiedene Gemeinden sicherlich ein sinnvolles Instrument die Entwicklung von Abholstationen zu reglementieren, beziehungsweise gezielt zu beeinflussen. Eine konkrete Anwendung findet ein solches Instrument wohl primär in grösseren Städten oder Regionen, welche bereits heute mit dem steigenden Güterverkehr zu kämpfen haben. Für eine einzelne ländliche Gemeinde ist dieses Problem deutlich weniger akut und ein Konzept zu erarbeiten wäre unverhältnismässig.
Ein weiterer wichtiger Punkt welchen man bei der Planung von Abholstationen oder Micro-Hubs im Allgemeinen beachten muss, ist der Fakt, dass die Chance besteht, dass sie entbehrlich werden sobald die letzte Meile automatisiert ist und die Pakete direkt zum aktuellen Standort des Empfängers geliefert werden. Nichts desto trotz ist es wichtig, die Entwicklung von Abholstationen gezielt zu fördern und zu steuern. Denn mit einer effizienten letzten Meile wird die aktuelle Entwicklung im Online-Handel etwas nachhaltiger gestaltet und die Anzahl an leichten Güterfahrzeugen, mit ihren negativen Auswirkungen auf den öffentlichen Raum, verringert.
Die Projektarbeit "Standortanforderungen und räumliche Auswirkungen von Micro-Hubs" von Andreas Keiser ist hier verfügbar.