Digitalisierung und Daten in Planung und Projektierung nutzen

„Erweiterte Realitäten lösen Schilder und Tafeln ab“ war eine unserer Thesen im NUDIG-Forschungsprojekt. In der Delphi-Umfrage (Teil Landschaft und Freiraum) gingen wir auch dieser Frage nach. Es scheint unbestritten: Augmented Reality (kurz: ein Blick durch die Brille in die Realität wird ergänzt durch virtuelle Informationen) und weitere digitale Kommunikationsformen werden die Planung, das Besuchermanagement und die Informationsvermittlung neugestalten. Planungsverantwortliche in Verwaltung und Büro haben sich den neuen Herausforderungen zu stellen. Pilotgemeinden sollten moderne Instrumente, Wege und Prozesse in Information, Partizipation und Visualisierung frühzeitig erproben.

Informationsvermittlung auf touristischen Themenwegen, Schutzgebietsgrenzen, aktuelle Ereignisse im Gebiet, Verbotsüberschreitungen, aber auch Visualisierungen von Projekten, Gefahrenkarten und neue Landschaftszustände, können über ‚erweiterte Realitäten‘ via Displays oder Brillen kommuniziert werden. Die Umfrage- und Workshop-Ergebnisse des Forschungsprojektes NUDIG zeigen, dass diesbezüglich von einem erheblichen Wandel der Kommunikations- und Visualisierungsmethoden auszugehen ist.

Doch heute dominieren in der kommunalen Bau- und Planungswelt nicht selten noch gedruckte 2D-Pläne, jahrzehntealte Inventare und - fast selbstverständlich – analoge Baugespanne. Andererseits sind CAD, GIS und Geodaten, BIM, 3D-Punktwolken, UAV-Datenerfassung und Remote-Sensing, und natürlich 3D-Viusualisierungen, in den Büros die digitalen Standardanwendungen.

In der Vermittlung und Visualisierung, in Mitwirkung und Partizipation sowie auch in Pflege und Unterhalt (automatisierte Steuerung) werden in Kürze die Vorgehensweise revolutioniert und nachziehen. In den Abschlussergebnissen des NUDIG werden dazu verschiedene Ergebnisse und Materialien bereitgestellt (vgl. z.B. die Empfehlungsblätter 3D-Ortsmodelle, digitale Besucherlenkung, Grünpflege, Online-Mitwirkung).

Der Einsatz von Augmented Reality zur Visualisierung von geplanten Bauten und Anlagen dürften schon sehr bald Realität sein. Konkret könnten so zunehmend digitale Instrumente die herkömmlichen Baugespanne ablösen. In einer kleinen Publikation wird das ILF in Kürze einfache aktuelle Möglichkeiten darstellen und miteinander vergleichen.

In der Planung könnten automatisierte Landschaftsvisulisierungen – ggf. mit Echtzeit-Daten - die Visualisierungen und Konzepte ablösen. Mittels Game-Engines können z.B. digitale ‚neue‘ Landschaften nicht nur angesehen, sondern ‚begangen‘ werden oder mit Virtual Reality (VR) beinahe tatsächlich 'erlebt' werden. In Partizipations- und Stakeholderprozesse können mit zunehmender Digitalisierung solche Instrumente wertvolle Unterstützung bieten. Ein Ausblick auf diese Möglichkeiten wird im ILF momentan dokumentiert.

«Neue Technik hat vielleicht heute nur einen spielerischen Reiz, doch sie wird den Alltag künftiger Generationen prägen» schreiben Matthias Oswald und Alex Stahel (Metron, 2020; S.8). «Unsere Kommunikationswege haben sich unbestreitbar verändert. Wir konsumieren und partizipieren zu einem grossen Teil online. Inhalte, die nicht digital verfügbar sind, erreichen ein kleines Publikum» ergänzt Amanda Sauter in der gleichen Publikation (S. 10). Und Sario Haladjian sagt: «Was nicht klar und verständlich präsentiert ist, wird weg-geclickt» (Metron, 2020, S. 26). Social Media bieten hervorragende Möglichkeiten zur Kommunikation mit der Bevölkerung und erlangen immer grössere Bedeutung.

Mit Digitalisierung und neuen Instrumenten sind unweigerlich digitale Daten verbunden. Kenntnisse über Datenqualität und -verfügbarkeit spielen eine grosse Rolle. Im NUDIG-Empfehlungsblatt ‚Daten‘ wird darauf eingegangen.

Timothy Snyder (Historiker an der Yale Universität) behauptet allerdings ‚Big Data‘ hätte bislang «nichts für uns getan, weil es keine Rolle spielt, ob man im grossen Stil Daten sammelt, wenn man diese Aktivität nicht mit irgendeinem Sinn für Wertvorstellungen in Verbindung bringt» (zitiert in Blum, P., ZO 11.6.20). Er befürchtet, dass die Digitalisierung uns „in Zielscheiben verwandelt, solange menschliches Leben, Freiheit, Gesundheit“ etc. keine Werte für Maschinen oder Programmierer darstellen. «Wenn wir wollen, dass diese grundlegenden Dinge in der digitalen Sphäre einen Stellenwert bekommen, müssen wir sie den Maschinen beibringen» (ebd.).

Inwieweit gelingt es uns in der Raum- und Landschaftsplanung sowie Politik und Verwaltung z.B. Smart-Farming-Drohnen mit den Zielen einer ökologisch nachhaltigen Landwirtschaft und erlebnisreichen Landschaftsentwicklung ‚zu füttern‘? Auf die Planungsträger sowie die Planenden und Entwerfenden kommt die Herausforderungen zu, sich der neuen Daten tatsächlich sinn- und wirkungsvoll zu bedienen. Die Diskussion ‚Wem gehören die Daten‘ (Weigend, A., 2017) ist dazu lanciert, viele Schritte zum Wiedererlangen der Verfügungsgewalt und Verwendung harren noch der Umsetzung.

Verweise:

  • Blum, Pascal: Die Digitalisierung verwandelt uns in Zielscheiben. In: Zürcher Oberländer, 11.6.2020; S. 10)
  • Metron AG (Hrsg.), 2020: Von digitalen Städten und Dörfern. Themenheft Nr. 36, Brugg.
  • Snyder, Timothy: 2020: Und wie elektrische Schafe träumen wir. Passagen, Wien.
  • Haldjian, Sario, 2020: Mit wem redet ihr eigentlich? In: Metron (Hrsg.), Themenheft 36 (s.o.). Brugg.
  • Weigend, Andreas: Data for the People – Wie wir die Macht über unsere Daten zurück erobern. Murmann-Verlag. Hamburg 2017

 



Über den/die Autor/in

Hans-Michael Schmitt

Professor für Landschaftsplanung / Dipl. Ing. TUH SIA Landschaftsarchitekt / BSLA Institutspartner Institut für Landschaft und Freiraum ILF der OST

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